Projekt kulturer.be
Ehemalige Adelssitze in verwahrlostem Zustand sind keineswegs allein ein Problem der neuen Bundesländer. Jahrelang war das so genannte Obere oder Alte Schloss in Ingelfingen bei Künzelsau ein Sorgenkind der baden-württembergischen Denkmalpflege.
Die malerisch an einen Wehrturm der Stadtmauer angelehnte, das Ortsbild prägende Baugruppe hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Das Hauptgebäude wurde um 1515 für die Grafen von Hohenlohe-Ingelfingen errichtet, 1632 durch einen Amtsflügel für Verwaltung und Dienerwohnungen erweitert sowie Mitte des 18. Jahrhunderts umgebaut. Zeitweise auch als Gasthaus „Zum Hohenloheschen Wappen“ genutzt und dann wieder als herrschaftliche Wohnung, wirkte sich der Verkauf und die Nutzung als städtisches Armenhaus, landwirtschaftliches Anwesen und Mietshaus in Privatbesitz seit der Mitte des 19. Jahrhunderts alles andere als förderlich für die Bausubstanz aus. Nach dem Abbruch der unmittelbar benachbarten Zehntscheuer und der Überbauung des zugehörigen Gartens hinter dem Schloss in den 1970er Jahren schienen die Tage des ehemals repräsentativen Anwesens gezählt. Lange wollte sich kein Käufer für das marode und unansehnlich gewordene Gemäuer finden, das – wie sogar ein Denkmalpfleger einräumte – „jeder vernünftigen Nutzung“ widerstrebe.
Es war ein Glücksfall für dieses Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung, dass sich Harald Brode, Petra Jaumann, Tomas Bauckhage und Martin Pfahls mit ihrer bereits an Erfahrungen reichen „Interessensgemeinschaft Sanierung historischer Bauten“ den außergewöhnlichen Herausforderungen dieses Objekts stellen wollten. 2001 kauften sie das Schloss, und später gelang es ihnen sogar, den eigentlich schon zum Abbruch bestimmten ehemaligen Amtsflügel hinzu zu erwerben. Die Gruppe ließ sich Zeit, um die Baulichkeiten genau zu untersuchen, die Schäden festzustellen und erst einmal „die Sanierungskonzeption wachsen zu lassen“. Bis zum Abschluss der Bauarbeiten sollten deshalb nicht weniger als acht Jahre vergehen, wobei rund 20.000 Stunden an Eigenleistung der Beteiligten einflossen, die sich den vorsichtigen Rückbau aller verunstaltenden Ein- und Anbauten sowie die handwerksgerechte Reparatur auf die Fahnen geschrieben hatten.
Als besonders vorbildlich sah es die Jury an, wie die Nutzung
mit zehn Mieteinheiten unterschiedlichsten Zuschnitts für
Wohnen und ein Künstleratelier in den Bau integriert
wurden, ohne dabei die historischen Strukturen eines ländlichen
Schlosses des 16. bis 18. Jahrhunderts zu zerstören.
Die üblichen negativen Folgen einer intensiven, von
spekulativen Absichten getragenen Denkmalnutzung sucht man
hier vergebens. Dies war nur möglich durch den bewussten
Verzicht auf überzogene Ausbaustandards, gerade was
den Einbau von Sanitärräumen angeht. Erfreulicherweise
reduzierten auch die Baurechtsbehörden ihre Auflagen
auf ein Minimum, so dass eine unkonventionelle Lösung
realisiert werden konnte.
Harald Brode und seine Mitstreiter dürfen über die Preisverleihung stolz sein, werden sie doch seit 2002 bereits zum dritten Mal mit dem Denkmalschutzpreis Baden-Württemberg für besondere Leistungen bei der Sanierung von Kulturdenkmalen ausgezeichnet. Mit dem Spital in Neuenstein, dem „Schlössle“ in Untermünkheim und nun mit dem Oberen Schloss in Ingelfingen haben sie sich neben der Sanierung weiterer Objekte um die Erhaltung der Denkmallandschaft in Hohenlohe sehr verdient gemacht.
© Texte und Bilder: Schwäbischer Heimatbund 2011
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