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"Jakobskirche", Arbeiterkantine und Aborthäuschen der ehemaligen Pulverfabrik in Rottweil - 2006

Noch heute zeugen die Industriebauten im Taleinschnitt des Neckars unterhalb der Rottweiler Altstadt von den Schattenseiten der neueren deutschen Geschichte. Seit 1840 entstand hier die Pulverfabrik Rottweil, die während der Kriege des 19. und 20. Jahrhunderts und deren Vorbereitung besonders prosperierte. In den 1930er Jahren, als die Fabrik ihre größte Expansion erreichte, standen auf dem Werksgelände nicht weniger als 140 Gebäude, darunter Bauten so bedeutender Architekten und Ingenieure wie Paul Bonatz und Emil Mörsch. Nach dem Zweiten Weltkrieg noch eine Zeitlang zur Textilherstellung genutzt, drohte das Areal, auf dem sich immerhin rund 40 Kulturdenkmale befinden, als Industriebrache zu verfallen.

"Jakobskirche", Arbeiterkantine und Aborthäuschen der ehemaligen Pulverfabrik in Rottweil

Der "Gewerbepark Neckartal" steuert dieser Entwicklung seit 1993 erfolgreich entgegen. Mit einer vielfältigen Infrastruktur aus Arbeiten und Wohnen, Freizeit und Gastronomie, Dienstleistung und Kultur beschreiten die Initiatoren neue Wege und legen dabei besonderen Wert auf denkmalpflegerische Ziele. Bereits 1999 wurde die gelungene Umnutzung des ehemaligen Badhauses als Restaurant und Theaterstätte mit dem Denkmalschutzpreis belohnt.

Maßgebliche Akteure der Umnutzung sind Hermann Klos und Günther Seitz, die von Anfang an Motoren des Vorzeigemodells waren. 1993 hatten sie sich mit ihrer aufstrebenden Firma "Holzmanufaktur Rottweil GmbH", die sich der Reparatur von Bauteilen aus Holz widmet, hier angesiedelt. Zunächst als Mieter, dann als Eigentümer sicherten sie sich ein zentral im Werksgelände gelegenes Ensemble von drei Bauten, das ursprünglich sozialen Zwecken diente: die wegen ihres an eine Basilika erinnernden Querschnitts und ihrer turmartigen Eingangsfront so genannte "Jakobskirche", die 1913/14 von Albert Staiger als Wasch- Umkleide- und Schlafsaalgebäude errichtet wurde, die alte Werks­kantine, 1909 von Heinrich Henes erbaut und später mehrmals erwei­tert und umgebaut, sowie das letzte der ursprünglich sechs vorhande­nen Aborthäuschen.

Von 2001 bis 2005 wurden diese Gebäude nach einem Konzept des Architekten Alfons Bürk unter Beteiligung von Eva Zähringer und Bernd Liebmann behutsam saniert und dabei intelligent den Bedürfnissen der Holzmanufaktur nach Werkstatt-, Büro-, Ausstellungs-, Veranstaltungs- und Sozialräumen angepasst. Die handwerkliche Qualität, die den Arbeiten der Holzmanufaktur eigen ist, zeichnet auch die Instandsetzung der durch fehlenden Unterhalt und Brand teilweise marode gewordenen Bausubstanz aus. Was beschädigt war, wurde soweit als möglich repariert und verunstaltende Veränderungen mit Augenmaß zurückgebaut. Alle Entscheidungen erfolgten auf Grundlage einer sorgfältigen Baudo­kumentation. Besonders überzeugend ist die gestalterische Qualität der neuen leichten Stahleinbauten im ehemaligen Kantinensaal, wo heute die Verwaltung der Holzmanufaktur untergebracht ist.

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