Anlässlich des 50. Todestages Hermann Hesses gerät
die
westliche Ecke des Bodensees in den Fokus
Ganz aus freien Stücken zog es Hermann
Hesse vor über 100 Jahren an den Bodensee, genauer auf die
Halbinsel Höri am Untersee. Das einfache Leben auf dem Lande
war ein Ideal, dem sowohl der Dichter als auch seine erste Frau
zugeneigt waren. Hermann Hesse liebte die üppige Natur und
die reiche Ernte, die noch heute die „feine“ Ecke des
Bodensees prägen. Das Jahr 2012 ist das Jubiläumsjahr,
am 9. August 1962 starb der Dichter. Eine Fülle von Veranstaltungen,
ein Radweg zur Poesie und ein neues Literaturmuseum in Allensbach
locken diesen Sommer in die Literaturregion Untersee.
Das erste Wohnhaus Hesses, ein Bauernhaus ohne jeden Komfort,
mitten im Dorfzentrum von Gaienhofen, steht heute als Museum
interessierten
Besuchern offen. Im ehemaligen Arbeitszimmer findet sich der
weit gereiste Schreibtisch des Dichters, den er an all seine
Wohnstätten
mitnahm, bis nach Montagnola ins Tessin. Nach den ersten dichterischen
Erfolgen baute Hesse ebenfalls in Gaienhofen sein eigenes Heim.
Dort lebte er mit seiner ersten Frau Mia und den Kindern von 1907
bis zum Jahr 1912, dort legte er seine ersten Beete an und entwickelte
sich zum begeisterten Gärtner. Auch dieses Haus und den originalgetreu
angelegten Garten kann man bei unterschiedlichen Führungen
erleben. Von den Besitzern wurde es mustergültig restauriert
und bietet ein exzellentes Schaustück für die Zeit der
Lebensreform. Im September wird im Rahmen der Hermann-Hesse-Tage,
die in beiden Häusern und im Bürgerhaus Gaienhofen stattfinden,
ein neuer Dokumentarfilm Premiere haben: „Hesses erstes Paradies“.
Per Pedal zur Poesie
Hermann Hesse war bei weitem nicht der einzige Dichter, der sich
am Untersee heimisch fühlte. Den Spuren weiterer Schriftsteller
folgt man am besten via Rad, zum Beispiel auf den Routen „Per
Pedal zur Poesie“. Die Route Nummer 3 etwa führt von
Kreuzlingen über elf Stationen entlang des schweizerischen
Untersees durch zweihundert Jahre Literaturgeschichte von Gottlieben über
Ermatingen, Arenenberg und Steckborn nach Stein am Rhein. Im 18.
Jahrhundert beherbergte Schloss Glarisegg bei Steckborn den Literaten
Christoph Kaufmann, den Namensgeber des „Sturm und Drang“.
Die Künstlerkolonie in Gottlieben nahm 1902 den Schriftsteller
Emanuel von Bodman auf. Der gesamte schweizerische Uferstreifen
war um 1900 Heimat für Bohemiens, republikanisch gesinnte
Autoren und Pazifisten. Von dort aus fiel ihr Blick, wie der des
Literatur-Radfahrers, auf die Insel Reichenau und den Hegau, die
deutschen Lande also. Eine weitere Tour startet im schweizerischen
Stein am Rhein, leitet die Radfahrer rund um die Halbinsel Höri, über
Radolfzell bis zur Wiege der Meinungsforschung, nach Allensbach,
und weiter nach Konstanz.
Neu: Mühlenweg Museum Allensbach
In Allensbach lädt in diesem Jahr ein neues Museum ein, das
literarische Schaffen Fritz Mühlenwegs zu entdecken. Am 23.
Juni 2012 öffnet es zum ersten Mal die Pforten, in den frisch
renovierten oberen Räumen des Bahnhofs. Von diesem Bahnhof
aus startete der Bestsellerautor Fritz Mühlenweg zu seinen
Lesereisen durch Deutschland, die Schweiz und Österreich.
Mühlenweg, ein gelernter Kaufmann, nahm ab 1927 als Rechnungsführer
an Sven Hedins letzter Ostasien-Expedition teil und bereiste drei
Mal die Mongolei. Die Erlebnisse verarbeitete er in seinem 1950
preisgekrönten Buch „In geheimer Mission durch die Wüste
Gobi“, das in acht Sprachen übersetzt wurde. Vom Bodensee
hinaus in die Welt. Eine Landschaft, die nicht nur Dichtern zu
neuen Höhenflügen verhelfen kann.
|