Die
Textilsammlung des Topkapi Saray Istanbul ist weltweit
für ihre große Zahl prachtvoller und sehr
gut erhaltener Sultanskaftane berühmt. Kostbare
Goldstoffe, wunderschöne Muster auf Samt und Seide
setzen noch heute den Betrachter in Erstaunen über
die hohe Qualität der türkischen Textilproduktion
zur osmanischen Zeit.
Nur die kostbarsten Materialien kamen für Herrschergewänder
in Frage. Diese prächti-gen Stoffe waren mehr als
ihr Gewicht in Gold wert und exklusiv dem Sultan vorbehalten.
Der lange, breit geschnittene Kaftan verlieh seinem Träger
Größe und Würde. Nach dem Tod des Sultans
wurde seine Garderobe etikettiert und archiviert, sodass
die Kaftane bis heute in ihrer ganzen Pracht erstrahlen.
Für die Stoffentwürfe war der Geschmack des
Sultans ausschlaggebend. In den Palastateliers (Nakkashane)
entstanden Vorlagen, die bei der Gestaltung unterschiedlichster
kunsthandwerklicher Objekte aus Keramik, Holz, Metall und
in der Buchmalerei zum Einsatz kamen. Auf das Medium Stoff
transferiert finden sie sich auch auf den prächtigen
Kaftanen wieder. Sehr beliebt waren florale Motive wie
die Tulpe, Rose und Hyazin-the aber auch chinesisch beeinflusste
Ornamente wie das Chintamani und die Tiger-streifen. Mehr
noch als die Schnitte der Kaftane unterlagen die Stoffe
einem modischen Wandel. Während im 16. Jh. Spitzovale
mit floraler Dekoration und großformatige Ein-zelformen
sehr beliebt waren, bevorzugten die Sultane im 17. Jh.
Seiden in reduzierter Farbigkeit und Musterung, ab dem
18. Jh. schließlich bestimmten kleinteilige Ornamente
und Streifenmuster die Stoffe. Ab dem 19. Jh. erhielt dann
die europäische Mode Einzug in den Sultanshof
und die klassischen Schnitte wurden zunehmend verdrängt.
Die Ausstellung „Tulpen, Kaftane und Levni“ möchte
anhand ausgesuchter Beispiele Entwicklungen in der osmanischen
Mode aufzeigen. Die Besonderheit der Ausstellung ist, dass
nicht nur die zuvor oft präsentierten Sultanskaftane
gezeigt werden, sondern ein besonderes Augenmerk auf die
Mode der Damen, Prinzessinnen und Prinzen gelegt wird.
In dieser Form und Gewichtung gelingt ein nie zuvor gegebener
Einblick in die hö-fische Gewandung der Osmanen. Angelegt
ist die Ausstellung in zwei Themenschwerpunkten. Im Sonderausstellungsraum
(EG.) entsteht der geschlossene, nicht öffentliche
Lebensbereich der Damen (Harem). Die selten gezeigten Damengewänder
werden hier ebenso zu bewundern sein, wie Schuhe, bestickte
Tücher, Gürtel und andere Accessoires wie Schmuck,
Spiegel und Kämme. Im 19. Jh. beginnt auch in der
osmanischen Mode die Öffnung nach Westen. Anhand der
Beispiele ist zu beobachten, wie die Kleider sich zunehmend
europäischen Vorbildern annähern, ohne die traditionelle
Muster und Schnitte völlig aufzugeben.
Der zweite Raum im 1. OG. entspricht dem repräsentativen
Lebensbereich der Sultane und Prinzen. Neben prächtigen
Kaftanen und Hosen können hier die Kopfbedeckung der
Sultane studiert werden, denn mehr als die Schnitte der
Bekleidung unterlagen die Formen der Turbane dem Wandel
der Mode.
Zur Illustration der Kostüme zeigt die Ausstellung
Miniaturen des berühmten osmani-schen Malers Levni
Abdülcelil Celebi aus dem 18. Jh. Mit Levni beginnt
eine neue Epo-che der osmanischen Miniaturmalerei. Während
die klassische islamische Miniaturmalerei die Nachahmung
der Natur aus religiösen Gründen zu einem gewissen
Grad ablehnt und sowohl Perspektive als auch die Wirkung
von Licht und Schatten zu Teilen außer Acht lässt,
beschreitet Levni völlig neue Wege. Er modelliert
Gesichter, interessiert sich für Faltenwurf, Materialien
und Stoffe. Seine detailreichen Malereien sind lebendig,
fröhlich und zeugen von großem Können.
Dennoch bleibt er der traditionellen islamisch-osmanischen
Miniaturmalerei treu, übernimmt Erzählweise,
Bedeutungsperspektive, Schönheitsideale und Bildaufbau
weitestgehend.
Aus Levnis Hand werden einige Sultansporträts aus
der Reihe des Kebir Musavver Silsi-lename zu sehen sein.
Die Portraits unterscheiden sich von früheren Darstellungen
durch Individualität der Gesichtszüge, genaue
Wiedergabe der Stoffe, Kopfbedeckung, Pelz und Haarbildung.
Eine weitere Gruppe zeigt ganzformatige Figurendarstellungen.
Berühmt sind Levnis reizende Tänzerinnen, Musikantinnen,
Hofdamen und Jünglinge. Elegante Kostüme, Haar-
und Kopftrachten begeistern den Betrachter ebenso wie die
ansprechende Bild-sprache, die eine Atmosphäre aus
1001 Nacht erschafft.
Das Konzept der Ausstellung ist ein vielversprechender
Ansatz, die uns mitunter fremd erscheinende Mode eines
orientalischen Hofes über Jahrhunderte hinweg verständlich
zu machen. Die Faszination für orientalische Stoffe
und Schnitte ist bis heute ungebrochen. Nicht nur im 18.
Jh. war in Europa eine große Türkendmode zu
verzeichnen, auch heute noch finden immer wieder Muster
und Schnitte, wie der Kaftan, Einzug in die zeitgenössische
Mode.
Zur Ausstellung erscheint ein reich bebilderter Katalog
mit Fachaufsätzen zu den Themen osmanische Textilproduktion,
Kaftanschnitt, Kleidervorschriften, Modeaccessoires und
Kopfbedeckungen. Mit dem Einzug westlicher Modeelemente
in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und einem
Ausblick auf die türkische Modemetropole Istanbul
von heute schließt die Publikation.
Der bei Hirmer Verlag erscheinende Katalog umfasst 304
Seiten und kostet im Museum 24,50 Euro; die Buchhandelsausgabe
ist für 39,90 Euro zu erwerben.
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