27.5.24

Museen und Sammlungen

Magie – Das Schicksal zwingen

Ausstellung im Landesmuseum für Vorgeschichte, Halle (Saale)

(lvh) Die neue Sonderausstellung ›Magie – das Schicksal zwingen‹ im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle (Saale) widmet sich einem kulturhistorischen Phänomen, das alle Epochen der Menschheitsgeschichte bis in die Gegenwart hinein durchzieht. Anhand zahlreicher Exponate, vor allem aus unterschiedlichen Regionen Mitteleuropas und des Mittelmeerraumes, aber auch aus Haiti, wird sie noch bis zum 13. Oktober 2024 anschaulich die Allgegenwart magischen Denkens und Handelns vermitteln.

Das Titelmotiv der Ausstellung ›Magie – Das Schicksal zwingen‹. © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Gestaltung: Klaus Pockrandt (Halle [Saale]).Mit einer getrockneten Fuchszunge zusätzlich magisch aufgeladenes Kruzifix. Museum des Saarländischen Aberglaubens, Gersheim/Rubenheim. © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Juraj Lipták.Ei mit der sogenannten Sator-Formel. Museum des Saarländischen Aberglaubens, Gersheim/Rubenheim. © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Juraj Lipták. Steinbeil aus dem 5. Jahrtausend vor Christus im Westportal des Halberstädter Doms. Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Dom Halberstadt. © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Juraj Lipták (mit freundlicher Unterstützung der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt). Ausstellungsimpression: Die Zentralinstallation mit sieben Figuren einer Bizango-Armee. Collection Wereldmuseum, Berg en Dal (Niederlande). Kleiner Zettel aus dem Geburtshaus des bekannten Magiers Dr. Faust. Faust-Museum/Faust-Archiv Knittlingen. © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Andrea Hörentrup.Das Titelmotiv der Ausstellung ›Magie – Das Schicksal zwingen‹. © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Gestaltung: Klaus Pockrandt (Halle [Saale]).

Das mit einer getrockneten Fuchszunge zusätzlich magisch aufgeladene Kruzifix diente noch im 20. Jahrhundert zum Schutz eines Bauernhauses im Saarland gegen Blitzeinschlag. Museum des Saarländischen Aberglaubens, Gersheim/Rubenheim. © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Juraj Lipták.

Ei mit der sogenannten Sator-Formel, um 1930 in eine Küche im Saarland eingemauert. Die in ein Quadrat eingeschriebene, noch ungelöste lateinische Formel SATOR AREPO TENET OPERA ROTAS, die vorwärts und rückwärts gelesen werden kann, sollte Gebäude vor Feuer schützen. Museum des Saarländischen Aberglaubens, Gersheim/Rubenheim. © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Juraj Lipták.

Steinbeil aus dem 5. Jahrtausend vor Christus im Westportal des Halberstädter Doms. Jungsteinzeitliche Steinbeile wurden zum Schutz vor Blitzschlag nicht nur in Häusern aufgehängt, sondern selbst in Kirchen. Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Dom Halberstadt. © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Juraj Lipták (mit freundlicher Unterstützung der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt).

Ausstellungsimpression: Die Zentralinstallation mit sieben Figuren einer Bizango-Armee im Lichthof des Landesmuseums. Collection Wereldmuseum, Berg en Dal (Niederlande).
© Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Andrea Hörentrup.

Aus dem Geburtshaus des bekannten Magiers Dr. Faust stammt ein kleiner Zettel, der in einem Lederbeutel in einem Astloch eines Türrahmens verborgen gewesen sein soll und eine schwer lesbare, vielleicht geheime Beschriftung trägt. In der rechten oberen Ecke ist die magische Sator-Formel erkennbar, die dem Schutz von Gebäuden vor Feuer diente. Faust-Museum/Faust-Archiv Knittlingen. © Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Andrea Hörentrup.

Seit jeher streben die Menschen danach, positiven Einfluss auf den Verlauf ihres Schicksals zu nehmen. Unter den Strategien, derer sie sich dazu bedienen, finden sich bereits seit frühester Zeit Techniken und Handlungen aus dem Bereich der Magie. Mit ihrer Hilfe wird der Mensch selbst zum Akteur und ist vermeintlich in der Lage, sogar Naturgesetze zu bezwingen, um das eigene Schicksal zu beeinflussen. Dahingegen befindet er sich im Falle der Religion, mit der es durchaus Überschneidungen gibt, stets in der Position des Bittstellers.

Der Allgegenwart magischen Denkens in der Kulturgeschichte bis in die heutige Zeit trägt die neue Sonderausstellung ›Magie – das Schicksal zwingen‹ Rechnung. Mit Hilfe von etwa 200 Exponaten und Exponatgruppen auf etwa 450 Quadratmetern Ausstellungsfläche beleuchtet die Schau das ebenso faszinierende wie vielschichtige Thema durch alle Zeiten der Menschheitsgeschichte. 44 Institutionen aus sieben Ländern (Dänemark, Großbritanien, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich und Deutschland) unterstützen das Gelingen der Ausstellung als Leihgeber. »Über die Unterstützung und das Vertrauen dieser Museen, Sammlungen und Archive freuen wir uns sehr«, so Landesarchäologe Prof. Dr. Harald Meller. »Sie machen es erst möglich, das Thema in seiner ganzen zeitlichen und inhaltlichen Bandbreite zu veranschaulichen.« Archäologische Funde und Schriftzeugnisse, aber auch kunsthistorische und volkskundliche Objekte bieten eine umfangreiche Übersicht zu maßgeblichen Aspekten magischen Denkens in Vorgeschichte, Antike und Mittelalter bis in die Gegenwart.

»Der Aberglaube ist so alt wie die Menschheit. Und es ist sehr reizvoll, seine Geschichte und Bedeutung für die Menschen aufzuzeigen, das heißt nach seinem kulturellen und religiösen Kontext zu fragen. Und das gelingt dieser Ausstellung auf faszinierende Weise«, betonte Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff.   

Nach einer Einführung, die die frühesten konkreten Belege für den Glauben an Magie, aber auch die ältesten Hinweise auf mögliche Versuche der Kontaktaufnahme mit übernatürlichen Mächten aufzeigt, macht die Ausstellung ihre Besucherinnen und Besucher mit den zwei grundlegenden Formen der Magie, der ›weißen‹ und der ›schwarzen‹ Magie oder auch dem Schutz- und dem Schadenzauber in ihren unterschiedlichsten Spielarten vertraut.

Die Zentralinstallation

Wie bei den Sonderausstellungen des Landesmuseums für Vorgeschichte üblich, zieht eine aufsehenerregende Zentralinstallation die Besucherinnen und Besucher in ihren Bann. Sie lenkt den Blick auf das Fortleben magischen Denkens in der Gegenwart, weitet ihn aber auch über Europa hinaus. In einem Käfig treten dem Publikum sieben Figuren einer Bizango-Armee entgegen. Die modernen, vor 2009 in Haiti geschaffenen, teils geflügelten, bekrönten, versehrten und bewaffneten Figuren gehören zu den eindrucksvollsten Kunstwerken, die im Zusammenhang mit dem haitianischen Voudou geschaffen wurden. Sie verkörpern Widerstand und Kampf und fordern dazu auf, gängige Vorstellungen von Voudou zu hinterfragen, in dem Magie und Religion aufs Engste verflochten sind. Die Vorstellung dieser feurigen und kriegerischen Geistwesen geht zurück in die Zeit der Unabhängigkeitskämpfe gegen die französische Kolonialherrschaft 1791 bis 1804 und lebt fort in den ebenfalls seither bestehenden Geheimgesellschaften, die sich bis in jüngste Zeit als Bewahrer der sozialen Ordnung sehen und in dem Ruf stehen, hierzu auch ›schwarze‹ Magie einsetzen zu können.

In dem darüber schwebenden Neonschriftzug ›Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer‹, einem Zitat nach einem Werk des spanischen Künstlers Francisco de Goya (1746 bis 1828), spiegelt sich der Kampf zwischen rationalem und magisch-abergläubischem Denken wider.

›Weiße‹ Magie – Schutzzauber für Mensch und Heim

Der vielleicht bekannteste Schutzzauber dient noch heute in den Kulturen des Mittelmeerraumes dazu, sich gegen den bösen Blick zur Wehr zu setzen. Bereits in der Antike und im vorchristlichen Ägypten sollten beispielsweise Darstellungen von Augen diesen abwehren, getreu dem Prinzip, Gleiches mit Gleichem zu bekämpfen.

Amulette, die ihre Trägerinnen und Träger und insbesondere Kinder vor Krankheit und jeder anderen Art von Ungemach schützen sollten, existieren in schier unüberschaubarer Formen- und Materialvielfalt. Hiervon zeugen in der Ausstellung unterschiedlichste Beispiele von der Vorgeschichte bis in die Neuzeit. Ägyptische Skarabäen (Amulette in Form des Skarabäus-Käfers), in Mitteldeutschland gefundene Amulette aus Bergkristall, dem Zahn eines Wildschweins oder dem Gehäuse einer Kaurischnecke und viele weitere mehr verdeutlichen den Zeiten und Räume überspannenden Glauben an die unheilabwehrende Wirkung von Amuletten.

Nicht nur zum Schutz der eigenen Person oder besonders schutzbedürftiger Angehöriger, sondern auch zur Abwehr von Unheil von Gebäuden wurden magische Praktiken und Gegenstände, denen man magische Kräfte zuschrieb, angewandt. Sie sollten Blitzeinschläge, Brandschäden, Krankheit und Tod, Schadenzauber, böse Geister oder Dämonen vom Heim fernhalten. Hierzu wurden bestimmte Arten von Skulpturen angebracht, insbesondere aber sogenannte Bauopfer in Form von Tieren oder besonderen, magisch aufgeladenen Gegenständen im Haus deponiert. Unter den Beispielen finden sich mumifizierte Katzen, Kröten oder auch Körperteile des Fuchses.

Eine besondere Gattung magisch aufgeladener Objekte stellen jahrtausendealte jungsteinzeitliche Steinbeile dar, die immer wieder auf Feldern aufgelesen wurden und seit der Antike bis ins 18. Jahrhundert hinein als versteinerte Blitze galten. Aufgrund des Volksglaubens, dass Blitze nie zwei Mal an derselben Stelle einschlügen, wurden diese ›Donnerkeile‹ als Schutz vor Blitzschlag in Häusern und Dachstühlen deponiert und sogar in Kirchen aufgehängt.

Weitere Ausstellungsabschnitte im Bereich der ›weißen‹ Magie widmen sich dem Schutz vor Wiedergängern und dem Einsatz von Magie zur Heilung von Krankheiten und Schutz bei Schwangerschaft und Geburt.

›Schwarze‹ Magie – Hexen, Flüche, Schadenzauber

Der im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Europa verbreitete Hexenglaube leutet das Feld der ›schwarzen‹ Magie ein. Als Beispiel für die verschiedenen Maßnahmen, mit denen man sich der vermeintlichen Kraft der Hexen zu erwehren versuchte, ragt eine unverschlossen aufgefundene sogenannte Hexenflasche – eigentlich ein aus dem Rheinland importierter Bartmannkrug aus Keramik – aus Greenwich (London) hervor, die vor über 300 Jahren verborgen worden war. Mit Hilfe moderner Methoden konnte ihr Inhalt analysiert werden: Eine Haarsträhne, abgeschnittene Fingernägel sowie mehrere spitze Eisennägel in Urin sollten dazu dienen, eine vermeintlich verhexte Person von ihrem Fluch zu befreien.

Spitze Gegenstände wie Nadeln und Nägel spielten auch im Bereich des Schaden- und Liebeszaubers eine bedeutende Rolle. Beide Spielarten der Magie sind mitunter untrennbar miteinander verbunden, zielten sie doch jeweils darauf ab, das Schicksal einer anderen Person zu manipulieren, und bedienten sich oftmals vergleichbarer Praktiken. Dies belegen Objekte von der Antike bis in die Neuzeit wie die hölzerne Schadenspuppe aus dem Saarland, die noch im 20. Jahrhundert für die Rache einer jungen, von ihrem Liebhaber verlassenen Frau gefertigt wurde. Ins Holz getriebene Nägel sollten dem Geliebten so lange Schmerzen zufügen, bis er sich eines Besseren besann und zur Verlassenen zurückkehrte.

Blick in die Zukunft und Magie der Neuzeit

Das Streben danach, den weiteren Verlauf des eigenen Schicksals zu kennen und in günstige Bahnen zu lenken, liegt auch den zahlreichen Zeugnissen des Orakelwesens und der Astrologie von der Antike bis zur Neuzeit zugrunde. Die Sonderausstellung führt verschiedene archäologisch fassbare Ausprägungen wie die Leberschau und das Losorakel vor Augen.

Dass Horoskope nicht nur für Menschen erstellt wurden, sondern auch dazu dienten, Vorhaben wie Baumaßnahmen oder Gründungsakte unter möglichst günstigen Vorzeichen durchzuführen, belegt das Gründungshoroskop der Universität Wittenberg.

Der Ausstellungsrundgang endet mit einem Blick in die Magie der Neuzeit und das Weiterleben magischen Denkens bis in die moderne Popkultur, das nicht nur durch den bekanntesten Zauberlehrling unserer Zeit, Harry Potter, eindrücklich belegt wird.

Landesmuseum für Vorgeschichte
Halle (Saale)
1. 3. - 13.10.24

Dienstag bis Freitag: 9.00 bis 17.00 Uhr.
Samstag, Sonntag und Feiertage: 10.00 bis 18.00 Uhr.
10 €, ermäßigt 8 €, Kinder 3 €

Weitere Informationen: https://archlsa.de/;  https://www.landesmuseum-vorgeschichte.de/

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Pexels, Ksenia Chernaya      

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