18.4.23

Online-Projekt der Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

„In Piranesis Werkstatt – Die Karlsruher Alben“

Vom Zufallsfund zur Online-Anwendung

(skk) Ein spektakulärer Zufallsfund führte 2014 zu einer neuen Zuordnung zweier großformatiger Klebealben mit 297 Zeichnungen an die Werkstatt des römischen Radierers, Architekten, Theoretikers und Antiquars Giovanni Battista Piranesi (1720 – 1778). Diese sind seit Anfang des Jahres einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht: Mit dem Projekt „In Piranesis Werkstatt – Die Karlsruher Alben“ wurden die Ergebnisse eines mehrjährigen kooperativen Forschungsprojektes in einer Online-Anwendung veröffentlicht. Die Forschungsplattform mit explorativem Ansatz verzahnt sowohl die kunsthistorischen als auch die kunsttechnologischen Forschungsergebnisse miteinander.

Klebeband 1: Ornamentstudien. Foto: SKKKlebeband 2: Architekturstudien mit Brücken und Triumphbögen. Foto: SKKKlebenband 2: Architekturfantasie mit Blick in einen Palast- oder Kirchenraum. Foto: SKKKlebeband 1: Ornamentstudien.

Klebeband 2: Architekturstudien mit Brücken und Triumphbögen.

Klebenband 2: Architekturfantasie mit Blick in einen Palast- oder Kirchenraum.

Alle Fotos: SKK

Der Zufallsfund im Kupferstichkabinett der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe

Die beiden Klebealben mit insgesamt 297 Zeichnungen gehören seit 1861 zum Bestand des Kupferstichkabinetts der Kunsthalle. Sie stammen aus dem Nachlass des badischen Architekten Friedrich Weinbrenner (1766–1826) und können Piranesis Wirkungszeitraum in Rom ab den 1740er Jahren zugeschrieben werden. Die Neuzuschreibung von 2014 wurde von dem damaligen Praktikanten und heutigen Doktoranden der Kunstgeschichte Georg Kabierske initiiert; auf dieser Grundlage erfolgte ein fundamentaler Perspektivwechsel auf den Karlsruher Zeichnungsbestand und darüber hinaus eine Neubewertung der Arbeitsformen in Piranesis Werkstatt. Die Klebealben enthalten 298 teils beidseitig bearbeitete Blätter, von denen 297 auf der Vorderseite Zeichnungen sowie eine Druckgrafik aufweisen. Mindestens 43 Blätter wurden zudem rückseitig bezeichnet, bedruckt oder beschriftet.

Die Bedeutung der Karlsruher Alben und wesentliche Forschungsergebnisse

Giovanni Battista Piranesis Werk entstand in einer hochproduktiven Werkstatt, die mehrere Mitarbeiter umfasste und die über eine umfangreiche Motivsammlung als Ausgangsbasis für den kreativen Schaffensprozess verfügte. Das neu entdeckte Werkstattmaterial eröffnet einen neuen Blick auf die Werkgenese in Piranesis Werkstatt: Auf dieser Grundlage ist Piranesis Tätigkeit als vielseitiger und stilbildender Entwerfer einer Fülle ornamentaler und dekorativer Gegenstände neu zu bewerten. Außerdem lässt die Neuzuschreibung die Schlussfolgerung zu, dass sich Piranesi und seine Werkstatt schon Ende der 1740er und zu Anfang der 1750er Jahre zeichnerisch intensiv mit Themen auseinandersetzten, die bald darauf Eingang in sein Druckwerk fanden. Zudem konnten einige der in Rom tätigen Künstler, die bislang nur wenig greifbar waren, in engeren Zusammenhang mit Piranesis Werkstatt gebracht werden. Mittels Durchlichtfotografie, Mikroskopie und multispectral imaging wurden alle Zeichnungen hochauflösend dokumentiert. Die Aufnahmen unterstützten die Bestimmung der Zeichenmedien und Papiere, machten die Spuren historischer Nutzung sichtbar und gaben Aufschluss über die Verwendung von Kopiertechniken.

Mit dem Projekt „In Piranesis Werkstatt – die Karlsruher Alben“ konnte erstmals eine für das Gesamtoeuvre Piranesis und vor allem für seinen Werkstattbetrieb relevante Forschungsbasis geschaffen werden. Sie war von Beginn an interdisziplinär angelegt und verfolgte die Aufarbeitung der Zeichnungen in den Klebealben im Vergleich mit den Beständen einschlägiger europäischer und außereuropäischer Sammlungen. Ziel war die enge Verknüpfung von kunsthistorischer und kunsttechnologischer Forschung unter Einbeziehung des wissenschaftlichen Nachwuchses.

„Den digitalen Wandel auch in den Museen zu unterstützen, ist ein kulturpolitisches Schwerpunktthema der Landesregierung“, sagte Staatssekretär Arne Braun. „Deshalb haben wir die Programme ‚Digitale Wege ins Museum’ für die staatlichen Museen aufgelegt, die viele wertvolle Impulse gegeben und in die Umsetzung gebracht haben, unterstützt auch durch die neu installierten Digitalmanagerinnen und -manager. Das Projekt ‚In Piranesis Werkstatt – die Karlsruher Alben’ hat das Land mit 75.000 Euro gefördert. Hier werden Forschungsergebnisse künftig digital zugänglich gemacht, was Transparenz schafft und so zu einem weiteren Erkenntnisgewinn in der kunsthistorischen Forschung beiträgt.“

Der Kunststaatssekretär lobt darüber hinaus auch die vorausgegangenen digitalen Aktivitäten der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe: „Bereits vor der Pandemie hat die Kunsthalle Karlsruhe die Weichen gestellt, um neue, jüngere Zielgruppen zu erreichen, etwa über die Anwendungsformate ‚Art of Wasting Time‘, ‚Art of Creating Stuff‘ und ‚Art of Chit-Chatting‘. Auf Basis der Werke aus der Sammlung verbindet die Kunsthalle Karlsruhe hier geschickt Themen der Alltagskultur mit Kunst – und wurde dafür verdientermaßen mit dem DigAMus-Award ausgezeichnet.“

„Die Ernst von Siemens Kunststiftung fördert seit über 30 Jahren nicht nur Neuerwerbungen für Museen, die im Fokus der Öffentlichkeit stehen, sondern unterstützt auch die Erforschung und Erschließung von Sammlungsbeständen durch Bestandskataloge. Über 250 dieser meist schwergewichtigen Bände sind inzwischen erschienen, neuere Projekte haben oft eine digitale Form wie das weltumspannende Datenbankprojekt „Digital Benin“. „In Piranesis Werkstatt – Die Karlsruher Alben“ ist ebenfalls ein besonders gelungenes Beispiel für die digitale Präsentation von Forschungsergebnissen: Zum einen sind diese dauerhaft gesichert, zum anderen sind sie zukünftig sowohl der internationalen Forschung als auch der breiten Öffentlichkeit zugänglich. Gern haben wir das Projekt mit 85.500 Euro unterstützt.“, freut sich Dr. Martin Hoernes, Generealsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung.

Konzeption und Usability der Online-Anwendung

Zur Ergebnissicherung des Projektes hat sich das Forscher*innenteam für eine Online-Anwendung und somit bewusst gegen eine gedruckte Publikation entschieden. Auf diese Weise werden die Klebealben nicht nur einem breiteren Publikum zugänglich gemacht; die Datenbank ist auch offen für die Aufnahme künftiger Forschungsergebnisse. Die Wissenschaftsdatenbank mit explorativem Ansatz erlaubt in einer leicht navigierbaren Form das Blättern und Zoomen der hochaufgelösten Werkabbildungen. Alle Werke sind mit ihren Kerndaten erfasst; zudem gibt es zu vielen Zeichnungen ausführliche Beschreibungen, die sowohl den kunsthistorischen als auch den kunsttechnologischen Kontext beleuchten. Vertiefende Essays, ein wissenschaftliches Glossar und eine Suchmaske ergänzen die Datenbank; eine explorative Hotspot-Funktion lenkt den Blick auf einzelne Details der Zeichnungen und bietet weitere Text- und Bildinformationen.

Die Online-Anwendung ist ab sofort zugänglich unter: piranesi.kunsthalle-karlsruhe.de aufrufbar.

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