Es ist schon überraschend, da warten Wissenschaftler und
Laien seit fast 300 Jahren auf eine umfassende Biografie des
vermeintlichen Stadtgründers von Karlsruhe - und da erscheinen
in kurzen Zeitabständen nun gleich zwei: die eine von Hans
Merkle im Jahr 2012 zur 900-Jahrfeier von Baden und im Jahr 2013
die vorliegende, kurz vor Karlsruhes 350. Geburtstag. Beide Autoren
haben ihr Buch nicht als Wissenschaftler geschrieben, somit auch
nicht für diese, sondern für das sog. breite Publikum.
Sie erwecken aber mit dem wissenschaftlichen Apparat ihrer Bücher
den Anschein, der Wissenschaft zumindest sich zugehörig
zu fühlen. Borchardt-Wenzel zeigt dies mit einem 14-seitigen,
weit ausladenden Literaturverzeichnis mit 200 Quellenangaben,
setzt dieses fort mit einem 18-seitigen Anmerkungsverzeichnis
mit über 800 Zitaten oder Fußnoten und beendet diesen
wissenschaftlichen Apparat mit einem zehnseitigen Register mit
fast 300 Eintragungen unter Vermeidung von allzu Populärem
oder Romanhaftem. So fehlt auch das vor über 20 Jahren erschienene
und von den Karlsruhern gern gelesene Buch ihres früheren
Kollegen Toni Peter Kleinhans mit seinem Tulpenmädchen-Roman,
obwohl die Art und Weise ihrer Kapitelüberschriften stark
an die von Kleinhans erinnern.
Geburt, Ausbildung, Kriegsdienst, Jagd und Hochzeit sind die
Themen vor Regierungsantritt. Dieser erfolgt nach dem Tod des
Vaters 1709 und setzt Karl-Wilhelm in die Lage, eigene Träume
zu verwirklichen. Borchardt-Wenzel ist dabei als studierte Historikerin
vorsichtig genug, anders als Merkle, sich nicht festzulegen,
ob der Regent schon mit der Realisierung eines Traumes nach der
Jagd im Hardtwald mit einer neuen Residenz Karlsruhe liebäugelte,
oder ob es sich anders verhalten hat, wie z. B. Gottfried Leiber
es nachwies, dass Karlsruhe als Folge der Schlossgründung
sich durch Ansiedlung von Bauleuten ergab?
Dann folgen die bekannten Schritte, das Anlocken von Bauarbeitern
mittels Privilegien, was die bisherigen Untertanen auf den Plan
rief und zu Auseinandersetzungen z. B. mit den Pforzheimern führte.
Die Ansiedelung in Häusern entlang eines sternförmigen
Stadtgrundrisses auf steuerfreien Grundstücken, Toleranz
gegenüber anderen Religionen, was Gegenpositionen bei der
lutherischen Bevölkerung hervorrief. Aber Karl-Wilhelm machte
nicht nur durch solche Duldsamkeiten von sich reden, sondern
auch durch Neuordnung der Verwaltung und Sanierung der Staatsfinanzen,
aber ebenso durch sein Privatleben, das beide Autoren nach einem
Brief der Liselotte von der Pfalz den »Ri- dicule Serail« nennen, über
den man allerdings nur leise spricht. Alles in allem ein faktenreiches,
aber anekdotenfreies Bild eines barocken Landesfürsten,
das nicht nur die Person selbst zeigt, sondern gleichzeitig die
Umstände und Umwelt seiner Zeit, in der er lebte und das
für das breite Publikum spannend und lesenswert aufbereitet
ist.
Dr.-Ing. Rolf Fuhlrott |