Heimlich gescheit wie die Schildbürger seien die Schwaben,
schrieb der progressive und provokante Literaturprofessor Friedrich
Th eodor Vischer (1807– 1887), Staatsangehöriger des
Königreichs Württemberg, der sich dem Stamm der Franken
zurechnete. »Talent bleibt latent«, brachte er seine
Beobachtung auf den Punkt und lieferte Friedemann Schmoll die
Stichwörter für den Titel seines Lesebuchs über
die Eigenarten und Eigenheiten der Menschen im deutschen Südwesten:
Badener, Schwaben und Franken.
Dass die drei Namen streng genommen nicht auf eine Ebene passen,
wird im Buch sachkundig geklärt. Peter Lahnstein (1913–1991),
Beamter mit schöngeistigen Neigungen, liefert dem Leser
Grundlagenwissen über das Herzogtum Schwaben, das im Mittelalter
vom Vogesenkamm bis an den Lech, vom Gotthard-Pass bis zum Hohen
Asperg reichte und als sprachliche Einheit fortdauert. Nördlich
davon liegt das Land der Franken.
Das Büchlein ist eine Fundgrube an literarischen Texten.
Ernst Moritz Arndt ist vertreten, Gustav Hauff , Hermann Hesse
und Viktor von Scheff el; Historiker, Geographen und Volkskundler
kommen zu Wort, auch Politiker wie Karl von Rotteck, Willy Hellpach
und Carlo Schmid. Den breitesten Raum nimmt Württemberg, »das
engere Schwaben«, ein. Hier wurde schon im 19. Jahrhundert
viel über Land und Volk geschrieben, 1842 zum Beispiel »von
in Schwaben geborenen oder doch einheimisch gewordenen Schrift
stellern«.
Die Abteilung »Baden und Badisches« lockt mit dem
Untertitel »off ene Horizonte ...« und beginnt mit
einem Text über die Landschaft im Dreiländereck von
René Schickele. Das entsprechende Kapitel über Württemberg
kommt mit dem Zusatz »Einkapselung …« schlechter
weg. Aufk lärung und Liberalismus werden von drei Autoren
als prägende Elemente der badischen Geschichte herausgestellt:
von Gustav Schlesier, der das Großherzogtum Baden einen »glücklich
situierten Staatskörper« nennt, dem Staatsrechtler
Carl von Rotteck und dem Reiseschrift steller Karl Julius von
Weber. Der Gegensatz zwischen dem fränkischen Nordbaden
und dem alemannischen Südbaden ist mehrfach Th ema: Amadeus
Siebenpunkt (1910–1999), mit bürgerlichem Namen Hubert
Doerrschuck, ehemals Journalist in Karlsruhe, Autor von »Gruppenbild
einer verzwickten Familie«, fragt: »Badener – gibt’s
die überhaupt?« Er bejaht es zuletzt und zitiert den
badischen Sängergruß »Vom See bis an des Maines
Strand …«.
Amüsant zu lesen, was Hans-Martin Gauger über seine
Erfahrungen als Württemberger in Freiburg schreibt, wie
er mit der »antischwäbischen Irritation« zurechtkommt.
Er kennt sich in der Landeskunde gut aus und präzisiert,
dass er als Oberschwabe und damit nicht Alt-Württemberger
im ehedem Vorderösterreichischen leicht integrierbar war.
Auch er preist die Liberalität und Off enheit.
Eine weitere Fundstelle für Badisches ist das letzte Kapitel »Landstriche
und Mosaike«: Der Historiker und Archivar Josef Bader (1805–1883)
nimmt den Leser mit auf einen Spaziergang durch das Markgräfl
erland. Der Münchner Professor Wilhelm Heinrich Riehl (1823–1897)
nimmt sich die Pfalz vor, die zu seiner Zeit noch zum Königreich
Bayern gehörte, und nennt die Pfälzer schlagfertig,
fl ink und redselig. Peter Paul Albert (1862–1956), gebürtiger
Unterländer und langjähriger Stadtarchivar in Freiburg,
attackiert den Oberländer Josef Bader wegen inkompetenter
Ausführungen über die Odenwälder. Er bezeichnet
ihn despektierlich als »klettgauischen Geschichts-Schrift
steller« und stellt selbstgefällig fest: »Mit
Gegenausfällen gegen die Oberländer zu antworten, sei
fern von uns«. Es gibt viel zu entdecken in dem handlichen
Bändchen, auch in den Kurzbiographien der 41 Autoren, deren ältester
Wilhelm Ludwig Wekhrlin, der seine Impressionen aus Schwaben
im 18. Jahrhundert schrieb und den Gegensatz Ober- und Unterland
auch schon kannte. Im Unterland fand er die Menschen gebildeter
und »polizierter«, die Sitten zahmer.
Renate Liessem-Breinlinger
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