Geschichtsunterricht an der Integrierten Gesamtschule – Geschichte integriert?

Am Anfang stand auch hier die Idee von der Integration. Alle Schüler sollten so lange wie möglich gemeinsam und nach Lehrplänen, die dem gesellschaftspolitischen Anspruch von Idee und Schule gerecht würden, unterrichtet werden. Dem entsprach, dass der Unterricht im gesellschaftswissenschaftlichen Bereich mit einem Fach beginnen sollte, das auch dessen Inhalte in sich integrierte. Das war das Fach  "Weltkunde" – eine Mischung aus Erdkunde, Geschichte und Sozialkunde, in der 5. und 6. Jahrgangsstufe dreistündig und nach im Haus erstellten Curricula unterrichtet.

Als der Unterricht den regulären Lehr- und Bildungsplänen unterworfen wurde, wurde auch das Fach  "Weltkunde" in seine Bestandteile aufgespalten: Geschichte und Gemeinschaftskunde begannen zwei bzw. drei Schuljahre später als die Erdkunde. Die Tatsache, dass die Hauptschule bereits in der sechsten Klasse mit Geschichte beginnt, um auch hier in vier Schuljahren den Durchlauf bis zur Gegenwart zu schaffen, wurde als Chance begriffen, generell bereits in der sechsten Klasse das Fach zu unterrichten.

Der Geschichtsunterricht in der IGMH stellt also insofern eine Besonderheit gegenüber dem Geschichtsunterricht an den Regelschulen dar, als die Möglichkeit besteht, in einem Alter, da die kindliche Neugier auf geschichtliche Erscheinungen noch ungebrochen ist, den Zugang zu vergangenen Welten, Strukturen und Erscheinungen zu schaffen.

Problembewußtsein kann hier natürlich noch keineswegs erwartet werden – im Gegenteil: Die Auseinandersetzung mit dem Phänomen Geschichte muss bei grundsätzlichsten Dingen beginnen. Zunächst gilt es, das Gefühl zu vermitteln, dass zwischen den geliebten Dinosauriern und dem (in dieser Generation zunehmend in nebulösem Dunkel liegenden) Zweiten Weltkrieg noch eine ganze Welt von Geschichte liegt, von der Tatsache abgesehen, dass sich in dieser Zeit die Entwicklungsgeschichte der ganzen Menschheit vollzieht.

Zum andern setzt die Strukturierung des geschichtlichen Zeitraums in die Zeit vor Christi Geburt und die Zeit danach ein Bewußtsein über die mathematische Struktur des Zahlenraums voraus – von der Frage, was war früher, was war später, bis zur Frage, welche chronologische Relation zwischen einem Datum vor und einem nach Christi Geburt besteht. Hier muss schon einmal das Thermometer im Winter zur Veranschaulichung herangezogen werden, etwa mit der Frage, welche Temperatur herrscht, wenn es minus fünf Grad hatte und zehn Grad wärmer geworden ist.

Die sechste Klasse bietet die einmalige Chance, den Unterricht über geschichtliche Inhalte mit dem Spieltrieb der Kinder zu verbinden. Selten in späteren Jahren kann man auf so natürliche Weise die Neugierde der Kinder ansprechen. Schon wenn es "nur" darum geht, dem Geschichtsheft einen individuell-kreativen Umschlag zu geben, sind Fantasie und Erfindungsreichtum der Kinder kaum zu bremsen. Freilich sind hier auch die Bemühungen des Lehrers um Anschaulichkeit nicht hoch genug anzusetzen, zum Beispiel, wenn es darum geht, den Kindern einen Eindruck von der Größe der Cheops-Pyramide durch einfaches Abschreiten der Grundseite von 246 Metern auf dem Schulgelände zu vermitteln.

Konkretisierbar ist noch mehr. Da vermittelt ein Besuch in der Dauerausstellung des Reiß-Museums "Menschen und Tiere der Eiszeiten" mehr an Anschaulichkeit als alle Lehrbuchtheorie. Ein Spaziergang am Ufer des Rheins lässt die Kinder Kieselsteine in Formen finden, die zur Verwendung als Schlagwerkzeug geradezu herausfordern. Die technische Frage, wie mit einem Handgriff (Stiel) die Schlagkraft erhöht werden kann, führt zur Frage, wie das Werkzeug an einem Stiel befestigt werden kann. Ägyptische Hieroglyphen selbst zeichnen zu lassen ist eine Herausforderung sowohl an die Vorstellungskraft des Schreibenden als auch des Lesenden.

Selten allerdings führen Rhein oder Neckar stoffverteilungsplangerecht ihr Hochwasser, so dass die segensreiche Kraft der Nilüberschwemmungen aus diesem Blickwinkel nur indirekt erfahrbar ist. Allerdings hilft hier eine Flasche voll "Dreckwasser" weiter, die nach einem Tag der Ruhe bereits das deutliche Sediment der Trüb- und Sinkstoffe zeigt.

Eindrucksvoll ist auch die Verbindung von Geschichtsunterricht und handwerklicher Tätigkeit (im Rahmen des Klassennachmittags z.B.), wenn in leicht zu bearbeitenden Ytong Hieroglyphen als Relief eingemeißelt werden.

Neben der üblichen Parallelisierung der olympischen Spiele bietet bei den alten Griechen die Geschichte um den Wettstreit zwischen Poseidon und Pallas Athene um den Besitz der Stadt Athen konkrete Erfahrung eines Mythos - aber: Sie sollte dem unter den beiden gehören, der der Stadt das wertvollste Geschenk machte. Poseidon, der Meeresgott, schlug mit seinem Dreizack in den Felsen, und eine Quelle entsprang. Athene aber pflanzte den ersten Ölbaum.

Hier kann mit einem Glas Wasser und einem Glas Olivenöl (und man kann sicher sein, dass aus der Klasse der Verweis nicht nur auf die Frucht, sondern auch auf das Öl kommt) der konkretisierte Vergleich begonnen werden. Natürlich werden der Kinder – wie auch die Bürger der Stadt Athen – zunächst dem Wasser den Vorzug geben, verheißt es doch lebensspendendes Nass in ausreichendem Maß. Schnell aber wird der Sprecher der Bürger genauso wie seinerzeit das Gesicht verziehen, wenn er das Wasser kostet – es wird so salzig sein wie die Quelle des Poseidon. Die Bedeutung des Öls allerdings nicht nur auf den Salat zu beziehen wird Sache des Lehrers bleiben, der in einem einfachen Experiment, zu dem nicht mehr gehört als ein Stück Baumwollfaden, eine Büroklammer und eine Untertasse, die Tragweite jener "Erfindung" deutlich machen kann, indem er den ölgetränkten Docht einfach anzündet.

Konkretisierbare Erfahrungen bei den Römern zu vermitteln wird schon schwieriger, weil das "spezifisch römische" in der Geschichte, das Leben der Legionäre in den Lagern, nur mit einem ungleich größeren Zeitaufwand nachgestellt werden kann. Hier aber bietet der südwestdeutsche Raum bereits eine Fülle an römischer Hinterlassenschaft, so dass die Begegnung mit den Originalen an die Stelle des Nachvollziehens treten kann. Und ein römischer Grabstein aus den Sammlungen des Reiß-Museums oder römische Gerätschaften aus dem Ladenburger Lobdengau-Museum vermag auch hier mehr an Erkenntnissen zu vermitteln als das beste Arbeitsblatt.

In der siebten Klasse aber beginnt sich bereits die veränderte Interessenlage der Jugendlichen auf die Möglichkeiten des Geschichtsunterrichts auszuwirken. Die Zeit der kindlichen Neugierde ist bei vielen Kindern und Jugendlichen bereits vorbei, wobei durchaus auch eine Rolle spielen kann, dass der beste Geschichtsunterricht nicht mit den Verlockungen von Fernsehen und Computerspielen mithalten kann. Zu oft werden jetzt schon im Unterrichtsgespräch Strategien zur "Problemlösung" angeboten, die diesen Namen nicht verdienen, sondern aus Comic-Heften, Adventure-Spielen oder TV-Serien stammen. Hier kommt es auf der einen Seite darauf an, das Gefühl für "zeitgemäße" Denkweisen zu schärfen und Welten vorzuführen, in die sich rollenspiel-erfahrene Kinder durchaus einfügen können. Da geht es eben schlichtweg nicht an, dass die Verständigung von einem Limes-Wachtturm zum nächsten mit dem Handy funktioniert. Auf der anderen Seite muss der Lehrer aber auch bereit sein, der Action-Begeisterung der Kinder hin und wieder durch eine spannend ausgemalte Geschichte entgegenzukommen.

Die Behandlung des Mittelalters erscheint als das schwierigste Problem, da kaum eine andere Zeit so weit vom altersbedingten Erfahrungshorizont der Jugendlichen (am Ende der siebten Klasse) entfernt ist. Kaiser, Könige und Päpste, Kurfürsten, Adel, selbst die Stadtbürger kommen nun einmal im normalen Leben und damit in der Erlebenswelt der Schüler nicht vor. Und auch der geistige Hintergrund der gotischen Baukunst ist 13- bis 14jährigen Jugendlichen doch sehr fremd.

Je nach Schulart kann auch hier wieder die Konkretisierung über das Nachspielen von Lebenssituationen einspringen - wie es ja der Lateinunterricht seit einiger Zeit bereits vormacht. Vorbild können hier Situationen sein, wie sie z.B. die Manessische Handschrift zeigt.

Wirklich wichtig wird aber spätestens hier der realistische fächerverbindende Ansatz mit dem Religions- oder dem Deutschunterricht. Die Lebenswelt einer Klosteranlage kann nur in Verbindung mit dem Religionslehrer nahegebracht werden, wie auch die Ornamentik eines Maßwerkfensters die Zusammenarbeit mit dem Kunst-Kollegen – oder dem Mathematik-Kollegen! – geradezu herausfordert.

In der 8. Klasse schließlich kann der Geschichtsunterricht durch das museumspädagogische Angebot der Verwaltung der staatlichen Schlösser und Gärten auf eine sehr eindrucksvolle Weise ergänzt – und wieder konkretisiert – werden. Hier schlüpfen die Schülerinnen und Schüler nicht nur in die Rollen, sondern auch in die Kleider der Personen "bei Hofe" und erleben das Zeremoniell beim "Levée" des Fürsten nicht nur mit, sondern gestalten es auch selbst. Und überraschenderweise zeigen sich auch Schüler und Schülerinnen der elften Klasse noch sehr angetan von diesem "Spiel mit der Geschichte".

Generell muss gesagt werden, dass der Unterricht im Fach Geschichte wie in kaum einem anderen Fach möglichst weit aus dem Klassenzimmer herausgetragen werden sollte – durch den Besuch historischer Örtlichkeiten, von Museen, Sammlungen, Ausstellungen. Gut vorbereitet, versteht sich, und immer im Bewußtsein, einen Spagat zwischen den hochgespannten Zielen des Lehrplans und den "wahren" Interessen der Jugendlichen zu vollführen. Dass wir Geschichtslehrer mit unserem Unterricht die Vorgaben des Lehrplans nicht aufs I-Tüpfelchen erreichen, mag hingehen, wenn wir aber die Jugendlichen nicht erreichen, hat das katastrophale Folgen. Dabei zeugt es schon von einem Mindestmaß an Auseinandersetzung, wenn Jugendliche fragen "Wozu brauchen wir das eigentlich?" Wenn sie einfach abschalten und den Unterricht über sich ergehen lassen, ist geschichts- und kritiklose Haltung unausbleiblich.

Geschichtsunterricht an der IGHM hat dabei aus der Vergangenheit dieser Schule heraus den Bonus, dass ein engagiertes und sozial bewusstes Kollegium den "Auftrag" der Geschichte ernst nahm – und eines der herausragendsten Bespiele für diesen ernstgenommenen Auftrag ist das Projekt des Kollegen Dr.Koppenhöfer über die Außenstelle Sandhofen das Konzentrationslagers Natzweiler-Struthoff.

Doch zurück zu den jahrgangsbestimmten Gegebenheiten des Unterrichts. Mit der 9., spätestens mit der 10. Klasse kann man von einem differenzierten Problembewußtsein bei den Jugendlichen ausgehen, so dass komplexere Themen wie Industrialisierung, Weimarer Republik, die Zeit des Nationalsozialismus oder der Geschichte der beiden deutschen Staaten unter verschiedenen anspruchsvolleren Fragestellungen behandelt werden können.

Mit der Hauptschul- bzw. der Realschul-Abschlussprüfung am Ende der 9. Hauptschul- bzw. der 10. Realschulklasse endet der Geschichtsunterricht in diesen Klassen des allgemeinbildenden Schulwesens. Die gymnasialen Zehntklässler haben, sofern sie in die gymnasiale Oberstufe überwechseln, weitere drei Jahre verpflichtenden Geschichtsunterricht vor sich.

Was am Ende der 9. bzw. 10. Klasse vom Geschichtsunterricht der vergangenen Jahre "übrig" geblieben ist, entzieht sich weitgehend der Nachprüfung. Geschichtliche Begebenheiten vergangener Zeiten sind für den Großteil der Schülerinnen und Schüler wohl Nachrichten aus einer fremden Welt geblieben, die allenfalls für eine angesetzte Klassenarbeit kurzzeitig gelernt wurde, aber kaum in ein tiefergehendes geschichtliches Bewußtsein übergegangen sind.

Ist aus dieser Tatsache eine Konsequenz zu ziehen? Legte man an diese Erfahrung den ökonomischen Maßstab statistischer Untersuchungen, käme man um eine Streichung des Faches wegen Unwirtschaftlichkeit nicht herum.

Auf der einen Seite gilt aber das Fach Geschichte als eine der Säulen abendländischer Bildung und darf deshalb traditionell nicht zur Disposition gestellt werden, auf der anderen Seite gelten aber gerade für die Fächer Geschichte und Gemeinschaftskunde noch andere Lernziele, die sich der Quantifizierbarkeit durch Erfolgsmessung entziehen: Kritikfähigkeit, Einsicht, Multiperspektivität. Und wenn hier in frühen Jahren in den Köpfen der Jugendlichen Dinge angelegt werden, die erst viel später zum Tragen kommen, dann hat der Unterricht auf dieser Ebene sein Ziel erreicht.

Die Didaktik des Geschichtsunterrichts in der 11. Klasse geht, wie bereits angedeutet, von der Voraussetzung aus, der Fachlehrer könne auf den Arbeitsergebnissen der Mittelstufe aufbauen. Dass dem keineswegs so ist, zeigen die ersten Unterrichtsstunden in diesem Fach. Lehrplanrevision und Kürzung der Stundentafel haben weiterhin den Unterricht so weit demontiert, dass zum einen nur noch einstündig unterrichtet wird, dass zum anderen die gesamte Antike und das Mittelalter dem Rotstift zum Opfer gefallen sind. Eine der wesentlichen Funktionen der 11. Klasse, die Schüler in die Lage zu versetzen, sich zwischen den Grund- und Leistungsfächern der gymnasialen Oberstufe zu entscheiden, ist damit für das Fach Geschichte obsolet geworden.

Soweit die Kritik, die aber keineswegs den Unterricht an der IGMH allein betrifft. Die Bestandsaufnahme für die Schule verzeichnet beinahe in jedem Jahr einen Leistungskurs im Fach Geschichte – mindestens der Grundkurs ist ohnehin für alle verbindlich. Die Ergebnisse des Zentralabiturs in Grund- und Leistungskursen unterscheiden sich nicht wesentlich vom Landesdurchschnitt.

Ein Bericht über das Fach Geschichte an der IGMH darf sich allerdings nicht in einer Rückschau auf das Geleistete erschöpfen. Er muss auch die ausgezeichnete Medienausstattung der Schule vermerken, die für alle Themen die entsprechende Wandkarte, für viele Themen ausführliche Foliensätze und für einige Themen fundierte Diareihen aufweist. Privater Initiative der Kollegen entspringt eine reichhaltige Sammlung von Mitschnitten des Schulfernsehens. Alle Medien sind ausführlich in einer umfangreichen Liste aufgeführt, die im Zeitalter der Digitalisierung auch allen Kollegen als Datei zur Verfügung steht.

Auch bei der Medienausstattung und bei Fragen des Medieneinsatzes bleibt die Zeit nicht stehen. Mehr und mehr findet der Computer, finden digitale aktuelle Medien Eingang auch in den Geschichtsunterricht – obwohl dieses Fach eigentlich einen den neuen Medien gegenüber eher spröden Eindruck vermuten lässt.

Software- und Multimediafirmen drängen mit Produkten auf den Markt, die eine moderne Medienerziehung berücksichtigen muss, auch wenn diese Produkte nicht – und schon gar nicht von vornherein – für den schulischen Bereich konzipiert worden sind. Die Angebotspalette reicht hier von historischen Lexika und chronologisch aufgebauten Übersichten bis hin zu mehr oder weniger sorgfältig aufbereiteten Darstellungen meist zeitgeschichtlicher Themen (Nationalsozialismus, Geschichte der Technik u.ä.). Der Einsatz dieser Medien erfordert auch auf der Lehrerseite eine völlig neue Kompetenz, da er sich nicht mehr darauf verlassen kann, dass Schulbuchautoren und Verlage das Angebot nur kultusministeriell gefiltert bereitstellen. Lehrerinnen und Lehrer müssen also nicht nur inhaltliche Kritik, sondern auch mediendidaktische Kritik leisten.

Die Art und Weise, wie solches Material zur Verfügung gestellt wird, verändert gerade in höheren Klassen auch den Arbeitsstil des Unterrichts selbst – weg von der klassischen Rezeption, weg von der Absolutheit der klassischen Trias Schulbuch – Tafel – Heft, hin zu einer selbständigeren Technik, Informationen aufzunehmen und weiterzuverarbeiten. Dass dies keineswegs die wissenschaftspropädeutische Auseinandersetzung mit Primärquellen ersetzen kann, versteht sich von selbst.

Neue Medien bieten digitalisierte Informationen in verschiedenen Zusammenhängen und verschiedenen Verknüpfungen. Lehrer und Schüler müssen zunächst diese Verknüpfungen verfolgen und nachvollziehen, um sich nicht im Gewirr von zur Verselbständigung neigenden Informationspartikeln zu verlieren. Lehrer und Schüler können aber dann diese Informationen selbständig und frei zu neuen, eigenen Produkten zusammenstellen und weiterverarbeiten: Bereitstellung und Weiterverarbeitung finden in ein und demselben Medium, dem Computer, statt, Hemmschwellen was die Produktion eines eigenen Textes betrifft, werden abgebaut, da der Text über längere Zeit einen provisorischen Charakter hat.

Einen weiteren qualitativen Sprung in dieser Richtung weist das Projekt "Nutzung elektronischer Informationsquellen im Unterricht" auf, das in den zurückliegenden zwei Schuljahren von "Schulen ans Netz" gefördert wurde. Hier steht nicht mehr die Anwendung einer bereits vom kommerziellen Produzenten fertig präsentierten CD-ROM allein im Vordergrund, sondern der Blick richtet sich auf die Recherche in kommerziellen Datenbanken, vor allem also auf die Nutzung von Zeitungs- und Zeitschriftenarchiven im Internet. Nun wird man in der Tagespresse nicht ohne weiteres fundierte Informationen über geschichtliche Zusammenhänge erwarten, doch zeigt die Erfahrung gerade der letzen Jahre einen großen Boom, was die Berichterstattung über historische Themen angeht. Allein aus dem vergangenen Jahr 1998 sind zwei Beispiele zu nennen: das 150jährige Jubiläum der Revolution von 1848/49 und das 350jährige Jubliäum des Friedensschlusses von Osnabrück und Münster, des Westfälischen Friedens von 1648. Auch das Fontanejahr bot Ansatz zu fächerverbindender Recherche und Darstellung, so wie das 100jährige Jubliäum von Renault den Blick auf Technik- und Sozialgeschichte öffnete. Zu bedauern ist hier die Fixierung der Medien auf "runde" Jubiläen, so dass für den 80. Jahrestag der Revolution von 1918 auf die Berichte aus zurückliegenden Jahren zurückgegriffen werden musste.

Journalistische Berichte sind jedoch stets Berichte aus zweiter Hand und müssen deshalb einer anderen Kritik unterworfen werden als Primärquellen. Für den Einsatz im Unterricht bot sich einerseits die Lektüre eines ganzen Artikels an, andererseits die semantische Reduzierung auf die eigentlichen Kerne der Aussage. Beides sind Arbeitstechniken, die auf der einen Seite weit über die klassischen Techniken des Geschichtsunterrichts hinausweisen, andererseits aber den Blick der Jugendlichen auf die Vielfalt der Medienwelt sowohl in Rezeption als auch in eigener Produktion öffnen.

Dieser Produktionsaspekt wird in Zukunft noch stärkeres Gewicht bekommen und Geschichte mehr und mehr von dem angeblichen Makel befreien, es sei ein Thema, was nur in den Schulbüchern vorkomme.

Was allerdings dem Lehrerinnen und Lehrern bei ihrer Vorbereitung recht ist, ist den Schülerinnen und Schülern längst billig. Auch sie holen sich zunehmend ihre "Informationen" auf dem Internet, bequem und abeitsökonomisch am besten gleich als fertiges Referat, das dann dem Lehrer als Produkt eigener Leistung präsentiert wird. War früher immerhin noch eigene Abschreib-Arbeit aus einem der in der Bibliothek vorhandenen Standardwerke nötig, dessen Text sich unschwer als nicht aus Schülerhand stammend erkennen lassen konnte, kursieren heute fertige Schülerreferate zum Download im Internet. Auch hier verändert sich die Rolle des Lehrers, im Geschichtsunterricht ebenso wie in an deren Fächern: Er kann nicht mehr darauf vertrauen, dass das, was ihm als Schülerarbeit in einem mehr oder weniger perfekten Computerausdruck präsentiert wird, auch wirklich von dem stammt, der es vorlegt. Die Informationsrecherche muss hier also den umgekehrten Weg gehen und vom Schüler verlangen müssen, zum einen seine Quellen offenzulegen, zum anderen auch im öffentlichen Vortrag vor der Klasse die eigene Kompetenz über das erarbeitete Thema unter Beweis zu stellen.

Damit erhält das Begriffspaar "Integriertes Schulsystem" und "Geschichtsunterricht" nach 25 Jahren IGMH einen neuen Aspekt: Geschichte ist nicht mehr ein isoliertes Fach, das allenfalls bei bestimmen Anlässen sich fächerverbindend mit anderen Fächern zusammentut. Geschichte ist ein Aspekt des in sich vernetzten Informationsmanagements, das seine Techniken und Themen aus der Aktualität bezieht und beides in einem Informationspool mit anderen Fächern teilt. Schülerreferate gibt es genauso im Fach Biologie.

Aufsatz in der Festschrift zum 25jährigen Jubiläum der Integrierten Gesamtschule Mannheim Herzogenried, 1998